Was will deine Depression dir sagen?

Ein Mann mittleren Alters Herr S. ( 52 Jahre) geboren im Sternzeichen Steinbock kam zu mir in die Praxis. Er litt schon sein ganzes Leben unter einem Gefühl, so wie er es beschrieb, als wenn er die ganze Welt auf seinen Schultern tragen  müsste. Der Druck wäre nun aber zu dem Zeitpunkt, als er zu mir in die Praxis kam, nicht mehr auszuhalten. Morgens habe er keine Lust mehr aufzustehen, doch er müsse schließlich funktionieren, um seine Familie zu ernähren. Also quäle er sich jeden Morgen raus, nur dass seit einiger Zeit zusätzlich eine gewisse Traurigkeit sich dazu gesellte. Er litt ebenfalls unter Energieverlust.

Ich fragte ihn nach seiner aktuellen Lebenssituation und in welchen Verhältnissen er aufgewachsen sei. Herr S. antwortete, er habe mehrere Geschwister. Er wäre irgendwo in der Mitte angesiedelt. Herr S. erinnerte sich genau an seine Mutter, die immer für alle da war, sich kümmerte und versuchte alle so gut es eben möglich war, zu versorgen. Herr S. beschrieb seine Mutter als sehr herzliche Frau. Sie war außergewöhnlich dick und wirkte meist sehr überfordert, denn es gab keinen Mann an ihrer Seite, außer manchmal, aber dann waren es Männer, die ihr nicht gut taten, sondern sie auch noch zusätzlich durch ihren Alkoholkonsum belasteten. Herr S. fühlte sich immer irgendwie für seine Mutter verantwortlich und nahm ihr viele Aufgaben ab. Eigentlich, so Herr S. war ich nicht nur der Sohn meiner Mutter, sondern auch ihr Ehemann. Er war es also gewohnt viel Verantwortung zu übernehmen und auch noch heute tut er es für seine Familie. Seine Mutter hat das nie gesehen und für selbstverständlich betrachtet.

Ich antwortete ihm, dass es aber nicht stimmt, dass er keine Energie habe, denn es gab etwas wofür sich Herr S. begeistern konnte. Er liebe es zu lesen, ein gutes Buch, etwas was ihn interessierte und weiter bildete und das könnte er die ganze Nacht, wenn er nicht arbeiten müsse.

„Aha“ erwiderte ich. Also haben Sie doch Energie für etwas, was Sie begeistert. Es stimmt nicht, dass Sie keine Energie haben, sondern sie haben keine Energie für etwas, was Sie nicht interessiert. Sie glauben die Erwartungen anderer erfüllen zu müssen. Ihre Frau erinnert sie wohl möglich an ihre eigene Mutter. Sagten sie nicht in einem Nebensatz, dass Sie auch heute in ihrer jetzigen Familie vieles für ihre Frau übernehmen, Sie nehmen ihr so viel ab, obwohl Sie selbst sehr viel zu tun haben, aber sie dankt es Ihnen noch nicht einmal. Wie damals bei Ihrer Mutter. Kann es sein, dass Sie immer noch die Anerkennung Ihrer eigenen Mutter suchen? 

Bei dieser Frage kullerten die ersten Tränen. Ein hart gesottener Mann, doch nun saß er da, Tränen rannen über seine Wangen. Seine Mutter habe sich wirklich nie für ihn interessiert und nie gesehen, was er alles könne, die älteren Brüder waren immer ihre Vorbilder, so nahm Herr S. es zumindest wahr. Egal was er auch tat, mit nichts konnte er seine Mutter begeistern.

In einer langen Traumreise gelangen wir zum Ursprung seiner Depression und es stellte sich heraus, dass er eigentlich gar kein gewolltes Kind , kein geplantes Kind war. Seine Mutter war hoffnungslos überfordert mit der Situation. Sein ganzes späteres Leben wurde durch diese frühe Kindheitserfahrung geprägt. Egal was er in seinem späteren Leben anpackte , es wollte nicht gelingen und niemanden konnte er es recht machen. Die harte Arbeit und das Kämpfen um Anerkennung zeichneten sich bereits in seinem Gesicht ab. Die Mundwinkel fielen automatisch nach herunter , ein Lächeln fiel ihm schon lange sehr schwer. Scheitern und Ablehnung waren zur Gewohnheit geworden. Das Gewicht was er auf seinen Schultern zu tragen hatte, wurde im höheren Alter immer schwerer, so dass er unter bereits unter chronischen Schulter und Rückenbeschwerden litt.

Nachdem Herr S. alle diese Gefühle in der Traumreise rekapitulierte und er begriff, dass seine Mutter eigentlich nichts persönlich gegen ihn hatte und selbst eine sehr „schwere“ Kindheit durchlaufen hatte. Herr S. begriff, dass die Situation es war, die sie so sehr belastete hatte. Ich konnte ihm sein Glaubensmuster: “ Ich bin nicht liebenswert“ gegen ein anderes ersetzen. Ich bat ihn alle seine Glaubensmuster anzuschauen und kritisch zu hinterfragen, ob sie denn heute noch wirklich Geltung haben. Herr S.  (bzw. das kleine Kind in ihm ) suchte nach Anerkennung der Mutter und  wusste nicht, wie er es anstellen sollten und immer noch versucht er (obwohl bereits erwachsen) diese Anerkennung stellvertretend bei anderen Menschen zu bekommen. Aber was glauben Sie mögen Menschen? Einen jammernden, leidenden Menschen, der sein Potential zurückhält oder einen, der mit Begeisterung seine Fähigkeiten lebt? Was würde sich ihre Mutter wohl wünschen und was hat sie in ihren Brüdern gesehen?

Sie möchten die Anerkennung ihrer Mutter? Sie werden sie wohl möglich nie bekommen, aber es ist auch nur ihre Mutter, von der sollen Sie ja gar nicht lernen. Da Sie bereits früh ihren Vater verloren haben und ihre Brüder aufgrund der Situation alle früh arbeiten mussten und nie zuhause waren, haben sie versucht die Vaterrolle zu übernehmen, die gar nicht ihre Rolle war. Ist ihre Mutter devot, zurückhaltend und depressiv geworden? Antwort: „ja“. Sie leiden unentwegt für sie, das ist ehrenhaft, aber das hilft keinem weiter. Weder Ihnen, noch ihr, sie merkt es ja noch nicht einmal.

Glücklich sein ist so einfach: „Pflege was dich stärkt und lasse alles weg, was dich schwächt. Mehr brauchst du nicht zu tun.“

Wir sind Opfer unserer Eltern, die uns zwar lieben, aber gar nicht verstehen, was das ist bzw. versuchen uns  ihre eigenen Vorstellungen aufzuerlegen , in der Hoffnung das wird schon gehen. Wir übernehmen ihre Vorstellungen vom Leben und wundern uns, dass es uns dabei nicht gut geht. 

Herr S. erkannte seine Muster, ihm wurden seine übernommenen Glaubensmutter bewusst, denen er sich als Kind gar nicht entziehen konnte. Ihm wurde klar, dass nicht er es war, der abgelehnt wurde. Herr S. war nun in der Lage unterbewusste Prozesse bewusst zu verstehen und diese zu verändern. Er brauchte niemanden mehr zu gefallen. Der Druck und die Erwartungshaltung von außen (Familie, Chef) verschwand, die Schultern-und Rückenschmerzen verschwanden. 

Nach einigen Wochen kam Herr S. freudestrahlend und sehr verjüngt in meine Praxis um sich nochmal zu bedanken, denn er würde nun jeden Morgen fröhlich erwachen und sich auf den Tag freuen. Allerdings habe er seine Frau verlassen und  eine neue Frau kennen gelernt. Herr S. lebt nun in einer harmonischen Partnerschaft , in der er auch abends nicht arbeiten, sondern seine geliebten Bücher lesen kann.

 

Herpes- Die Angst „Böses“ auszusprechen

Die 30jährige Frau B. kam auf Empfehlung einer Kollegin zu mir. Sie litt seit einiger Zeit unter starken Bauchschmerzen und des Öfteren gesellten sich nun auch Ausschläge in der Mundpartie dazu. Ich sah bereits an ihrem äußeren Erscheinungsbild, dass sie nicht unbedingt angepasst aussehen wollte. Sie wirkte durchaus frech, sie wirkte eher maskulin

Frau B.  verschränkte während des Gesprächs ihre Arme. Der Blick war verschlossen, die Körperhaltung ebenfalls. Ein Indiz dafür, dass sie nicht sehr im Vertrauen war und ein eher kritischer, skeptischer Mensch zu sein schien. Sie sendete sehr viel und plapperte unentwegt von ihren Beweggründen, warum sie zu mir gekommen sei und dass sie ja eigentlich gar nicht kommen wollte. Ich stoppte sie in ihrem Redeschwall und lud sie freundlich aber sehr betont ein, mich als Coach zu akzeptieren. Ich erklärte ihr , das Menschen die viel reden, Angst haben nicht verstanden zu werden, deshalb versuchen sie möglichst viel in kürzester Zeit zu vermitteln. Ich betrachtete ihre Körperhaltung und verriet ihr wie sie auf mich wirkte. „Sie sind sind zwar eine Frau, wirken aber nicht sehr feminin“. Sie verschränken ihre Arme, wollen sich also schützen, sind nicht im Vertrauen.“ Ihre senkrechte Stirnfalte verrät, dass sie sehr kontrolliert sind, sie legen ihre Stirn unbewusst in Falten, dadurch dass sie fokussieren, also die Kontrolle nicht abgeben wollen.“ Ihre Haare sind sehr kurz geschnitten und ihr Outfit ist eher praktisch gehalten und nicht unbedingt Körper betont. All diese Hinweise deuten darauf hin, dass sie höchst wahrscheinlich ein Problem mit der femininen Seite erlebt haben.“

Frau B. schaute mich erst kritisch an, fokussierte mich eine Weile und öffnete dann unbewusst ganz langsam ihre verschränkten Arme. Ein Zeichen für mich, dass sie langsam etwas an Vertrauen mir gegenüber gewonnen hatte. Frau B. antwortete:“ Woher wissen Sie das?“ „Ja, ich hasse meine Mutter.“ In diesem Augenblick hielt sich Frau B. die Hand vor den Mund, unbewusst. Eine unbewusste Geste des Verbots. Ich antwortete sofort und sagte ihr: „Deshalb haben sie Herpes“. „Wieso?“ fragte Frau B. , jetzt neugierig.

„Ich nehme an, dass es in ihrer Kindheit sehr schwierig war, ihre Meinung zu äußern , sie hatten nichts zu melden, sie wurden von ihrer Mutter sehr dominiert bzw. bevormundet. Sie durften keine bösen Dinge aussprechen oder haben gelernt ihre Wut auf ihre Mutter und ihr Bevormundungsempfinden zu verdrängen. Sagen Sie mir wo haben Sie die Bauchschmerzen?“ Frau B. zeigte auf ihren Oberbauch, etwa in den Bereich des Solarplexus, wo auch die Leber und die Galle sitzt. „Sagen sie sind sie wütend , haben Sie Ärger?“

Frau B. antwortete: „Meine Mutter war sehr dominant und egoistisch. Sie kümmerte sich ihr Leben lang nur um sich selbst. Stundenlang verbrachte sie damit ihre Fingernägel zu lackieren oder ihre Haare zu frisieren. Zu essen gab es für uns Kinder allerdings immer sehr einfaches oder manchmal gar nichts. Mein Vater und meine Mutter haben sich andauernd gestritten. Meine Mutter hatte fast immer das letzte Wort und mein Vater zog sich gestresst und genervt aus der Affäre und verschwand auch mal ein, zwei Tage. Ich durfte dann immer den Haushalt erledigen. Wenn ich mich darüber beschwerte drohte sie mit Schlägen. Ja, ich habe eine verdammte Wut auf meine Mutter, schoss es aus Frau B. heraus. „Ich mag so „Tussi“ Frauen einfach nicht und vor kurzem habe ich eine neue Arbeitskollegin bekommen, ausgerechnet neben mir an meinen Schreibtisch. Sie lackiert sich die Fingernägel , die Bluse immer weit geöffnet, so dass man ihren großen Busen sehen kann. „Ich könnte kotzen und würde ihr am liebsten sagen, dass sie aussieht wie … In diesem Augenblick fasste sich Frau B. an ihren Mund, „oh meine Lippe juckt.“, mir wird ganz schlecht.“ Instinktiv fasste sie sich auch an den Oberbauch.

Ich frage was los sei. Frau B. antwortete: „Ich glaube sie erinnert mich tatsächlich an meine Mutter.“

In einer tiefen Traumreise reflektierte ich ihre erlernten Muster, sie konnte ihrer Mutter verzeihen. Frau B. lehnte unbewusst ihre Femininität  ab, da sie nicht so sein wollte wie ihre Mutter. Behutsam machte ich ihr die Vorteile ihrer femininen Seite bewusst und wie sie in Zukunft effektiver mit ihrer Wut umgehen könne, anstatt wütend, verschlossen und kritisch mit ihren Mitmenschen umzugehen. Nach einer Weile verschwanden ihre Symptome und Frau B. ließ sich zum ersten Mal in ihrem Leben ihre Haare wachsen.

Solche und ähnliche Fallbeispiele gibt es viele. Nicht immer verschwinden die Symptome sofort oder so schnell wie in diesen Beispielen, oder zeigen sich in ganz anderer Form, aber immer versteckt sich hinter einem Symptom, also unter dem „Leiden“ eine Ursache. Diese bewusst zu machen und aus der Sicht eines nun erwachsenen Menschen zu betrachten und zu refraimen (Perspektivenwechsel, Umdeutung) verändert das Empfinden.


Ein Symptom ist also keine Krankheit, sondern der Versuch, die Wiederholung einer Traumatisierung zu vermeiden. Eine Veränderung geschieht dadurch, dass die Ursache bewusst gemacht und neu interpretiert wird.